Interview mit Wahideh Abdolvahab zum iranischen Grafikdesign
Was hast du in den sechs Monaten im Iran gemacht?
Da es das erste Mal seit vielen Jahren war, dass ich wieder in den Iran gereist bin, habe ich im ersten Monat nicht viel getan. Ich habe einfach Urlaub gemacht, mir das Land angeschaut, meine Familie besucht und aufgeholt, was ich in all den Jahren verpasst hatte. Als ich dann losgelegt hab, bin ich hinter jedem einzelnen Designer, der mir gefallen hat, hinterhergelaufen, bin mit ihm zu seiner Arbeit gegangen, hab Ausstellungen aufgebaut und eröffnet, alles photographisch dokumentiert und Interviews geführt. Ich bin dann mit einem Berg an Material zurück nach Deutschland gekommen. Das musste ich dann fleißig bearbeiten, verschriftlichen, übersetzen. Theoretisches Material über iranisches Grafikdesign findet man nicht. Man kann sagen, dass das im Rahmen meiner Diplomarbeit entstandene Buch das erste ist, das sowohl im Iran als auch in Europa und Amerika über iranisches Grafikdesign existiert.
Wie sind die Rahmenbedingungen vom Grafikdesign im Iran? Wer macht das? Und wie sind die Arbeitsbedingungen und der Berufstatus?
Iranisches Grafikdesign gibt es ungefähr seit Ende der 50er Jahre. Da gab es Iraner, die zum Studieren nach Europa gegangen sind und dort Kunst und Malerei lernten. Als sie in den Iran zurückgekommen sind, haben sie in Werbeagenturen oder für kulturelle Einrichtungen gearbeitet. Sie haben Plakate gestaltet, die natürlich mehr in die künstlerische Richtung gingen. Heute ist es viel typographischer und damals standen die Illustration und das Bild stärker im Mittelpunkt. Grafikdesign ist mittlerweile ein angesehener Berufsstand, viel angesehener als vor 10 Jahren. Es gibt viele Buchcover, Plakate oder Filmvorspanne, die bekanntermaßen von Grafikdesignern gestaltet wurden.
Wie sieht es aus mit Frauen im iranischen Grafikdesign? Gibt es welche?
Ja, es gibt auf jeden Fall Frauen. Als ich versucht habe, die Generationen von Grafikdesignern zusammenzustellen und repräsentative VertreterInnen für jede Zeit zu suchen, sind mir wenig Frauen in den Anfangsjahren begegnet. Es kann auch sein, dass es sie gab, aber dass sie einfach keine Erwähnung gefunden haben. In der jetzigen fünften Generation, gibt es schon viele Frauen. Es gibt zwar immer noch mehr Männer, aber auf jeden Fall auch Frauen. Ich würde aber nicht sagen, dass sich ihre Arbeiten speziell unterscheiden, das ist einfach eine Typ- und Stilsache, bei Männern wie bei Frauen.
Und wie ist der Stand der Frauen in dem Beruf?
Ich hatte jetzt nicht das Gefühl, dass sie besonders unterdrückt werden oder schlechtere Chancen haben, weil sie Frauen sind.
Und müssen sie sich besonders beweisen, um anerkannt zu werden?
Wir reden vom Iran, da hat eine Frau gesetzlich halb so viel Rechte wie ein Mann. Es ist nicht zu vergleichen mit Deutschland oder Europa. Für die Umstände, in denen sie sich bewegen, schlagen sie sich durch und sind sehr gut in ihrem Beruf.
Kann man Grafikdesign studieren und studieren Männer und Frauen getrennt?
Ja, Grafikdesign kann man studieren. Zum ersten Mal wurde es 1963 an der Universität in Teheran angeboten und mittlerweile gibt es Grafikdesign an fast jeder Uni im Land. Männer und Frauen studieren nicht getrennt, sondern gemeinsam. Mein Mentor Reza Abedini war damals Professor an der Teheraner Uni und ich habe ihn viele Male in seinen Kursen begleitet und das Arbeiten erschien mir sehr locker. Was zum Beispiel die Kleiderordnung anbetrifft: alle Frauen müssen ein Kopftuch tragen, denn das ist schließlich Gesetz im Land, aber die Kunststudentinnen sind alle einen Tick lockerer, wie hier oft auch. Die müssen zwar ein Kopftuch tragen, aber das Kopftuch ist dann bunt und nicht schwarz oder es hängt wie ein Schal locker um den Kopf.
Inwieweit kann Grafikdesign im Iran eine politische Aussage treffen? Inwieweit trifft das Grafikdesign losgelöst vom Inhalt eine Aussage?
In den Ursprüngen hat man Grafikdesign als Mittel gesehen, um Werbung zu betreiben. Und dann zum Zeitpunkt der Revolution haben sich die GrafikdesignerInnen gesagt: wir wollen mit unserem Design auch eine Aussage treffen.
Es soll nicht mehr nur Kunst sein oder nur Werbung, es soll auf die Straße und Inhalte haben, es soll das eigene revolutionäre Gedankengut auf die Straße tragen. Mit der islamischen Revolution kamen dann natürlich viele Einschränkungen, die es vorher nicht gab. Während der Revolution war eine Zeit, wo man viel freier seine politische Gesinnung zur Schau stellen konnte. Nach der Revolution gab es nur noch den Islam. Es gab, wenn Plakate gemacht wurden, solche, die aufriefen, die Söhne in den Krieg zu schicken, also schon sehr politische Inhalte, jedoch nicht von dem, was die Einzelnen dachten, sondern von dem, was man machen musste, was Vorschrift war. Es konnte hinterher nicht mehr der individuelle Geist eines jeden Einzelnen umgesetzt werden, weil es einfach nicht erlaubt war. Das hätte bedeutet, dass man ins Gefängnis gewandert wäre. Seit der islamischen Revolution ist einfach nicht mehr daran zu denken, dass man etwas Politisches gegen den Islam oder gegen die islamische Regierung gestaltet oder macht.
Dass heißt aber nicht, dass die Menschen nicht politisch sind. Im Gegenteil, sie kriegen ganz viel mit, saugen alle Informationen auf. Die Grafikdesigner, mit denen ich gesprochen habe, waren so gut informiert über alles, was außerhalb des Irans, vor allem in Europa passiert. Sie sind sehr wachsam bezüglich der Politik und sind auch in irgendeiner Weise politisch, aber keiner spricht darüber. Kannst du auch nicht. Du kannst dich nicht frei äußern, weil du nicht weißt, wer dein Freund ist und wer dein Feind. Es ist ein Tabuthema.
Auch im Privaten?
Privat kann man wahrscheinlich schon darüber reden, aber ich hatte leider nicht die Möglichkeit. Das spricht man nicht offen an. Viele Menschen sind unzufrieden mit dem, was im Land passiert, aber es geht nicht, darüber offen zu sprechen. Das ist einfach lebensgefährlich. Deswegen beinhalten Plakate auch keine politischen Inhalte, auch wenn das Potenzial da ist, denn jeder ist bis über beide Ohrenspitzen in Politik verwickelt. Ich hab die Frage gestellt, was ist das Ziel eurer Arbeit, was wollt ihr erreichen? Die Antwort war folgende: Während ich im Iran war, gab es immer elend lange Schlangen an Tankstellen für Benzin, die Leute mussten bis zu 4 Stunden in der Schlange stehen, für ein Auto, das einfach unabdingbar ist ,um sich in Teheran zu bewegen und der Grafikdesigner antwortete: Wenn ich jeden Morgen 4 Stunden in der Schlange stehen muss, um Benzin zu kaufen, da interessiert es mich nicht, ob ich mit meinen Plakaten etwas bewege. Ich hab ganz andere Probleme.
Gibt es Einschränkungen, Verbote von staatlicher Seite, die direkt oder indirekt das Grafikdesign betreffen?
Man kann nicht wirklich sagen, irgendetwas ist verboten, aber jeder, der im Iran im Bereich Design tätig ist, weiß, dass eine Grenze nicht überschritten werden darf. Ausstellungen mit politischen Inhalten werden nicht genehmigt und deren Organisatoren würden in beständiger Gefahr leben. Deswegen macht das auch keiner.
Versuchen sich GrafikdesignerInnen in irgendeiner Weise von staatlichen oder regimetreuen Medien abzusetzen?
Also es gibt den kommerziellen und den kulturellen Bereich und was sich da unterscheidet ist, dass kommerzielle Aufträge nicht so gern gesehen sind, sie bewegen sich eher auf einem schlechteren Niveau. Dafür werden Plakate im kulturellen Bereich um so mehr mit Herzblut gestaltet und sind teilweise besser als hier, genauso wie Buchcover, Filmankündigungen und Ausstellungen im Kunstbereich. Das unterscheidet sich, weil das Kommerzielle mit dem Staatlichen verbunden ist. Ja, wie hebt man sich ab? Indem man nicht auf staatliche Aufträge eingeht, indem man sich davon distanziert, ohne was zu sagen.
Man spricht sehr oft von dem Verbot von Bilddarstellungen. Dabei geht es nicht so sehr darum, per se keine Bilder zu zeigen, sondern, dass, wenn man auf einem Plakat eine Frau abbildet, die Sittlichkeitsvorstellungen, wie etwa die Abdeckung der Haare, berücksichtigt werden müssen. Oft fehlt es diesen Darstellungen an einer gewissen Ästhetik und man nimmt eher Abstand davon. Ich habe zum Beispiel gefragt, warum die Schrift gegenüber dem Bild so stark präferiert wird, die Schrift hat wirklich das Bild ersetzt. Schrift wird dann sehr häufig selber als Form gesehen und nicht mehr nur als ein Informationsträger. Die Antwort auf die Frage, war schon die, dass man weiß, damit wird man keine Probleme kriegen im Vergleich zu Bilddarstellungen.
Ich würde nicht sagen, dass man bewusst Dinge wählt um irgendetwas politisch auszudrücken. Das machst du nicht, wenn du weißt, du könntest im Gefängnis landen. Und wenn ich dir das jetzt sagen könnte, dann weiß es potenziell auch die Regierung.
Inwieweit wurde im Zuge der Oppositionsbewegung eine eigene Gestaltung, ein eigenes Grafikdesign entwickelt, um bestimmte Dinge zu kommunizieren?
Da ich Anfang 2008 wieder zurück war, sind alle meine aktuellen Informationen aus dem Internet. Es gibt kein in Auftrag gegebenes Grafikdesign durch Gruppen der Opposition. Aber wenn man bei Grafikdesign ist, spielt die Farbe Grün eine sehr große Rolle. Damit kommuniziert man seine politische Gesinnung. Zuerst stand die Farbe für Moussavi und mittlerweile steht sie für eine ganze Bewegung. Es ist ein Symbol dafür, dass man mit dem Ganzen unzufrieden ist.
Zum Beispiel hat ein Grafikdesigner Stencils gemacht mit dem Kopf von Moussavi und das hab ich sehr häufig im Fernsehen auf Plakaten gesehen. Auch hier im Ausland zeigen viele Leute auf diese Weise, wen sie unterstützen. Auch hier in Deutschland wie zum Beispiel in der Fernsehsendung DSDS, in der die Anhänger des persischen Kanditaten grün trugen, ob die Zuschauer das jetzt wussten oder nicht.
Wird sich in Arbeiten mit der Rolle der Frau im Iran auseinandergesetzt?
Das ist schwierig zu beantworten. Natürlich hat eine Frau im Iran, wie ich schon gesagt habe, gesetzlich viel weniger Rechte als ein Mann, andererseits hat das, was in den letzten Jahren im Iran und der Gesellschaft so passiert ist, dazu geführt, dass Frauen wirklich stark wurden. Vor dem Regime sind Frauen unterdrückt, aber im Berufs- und Privatleben sind Frauen sehr stark. Gerade auch bei der ganzen Bewegung im letzten Jahr- wie viele Frauen man da auf den Straßen gesehen hat, die gehen raus und sagen ihre Meinung.