Georg Domkamp

RECHTE FRAUEN - FRAUEN OHNE RECHTE

“Frauen haben keine Sehnsucht nach dem Büro und dem Parlament. Ein trautes Heim, ein lieber Mann und eine Schar glücklicher Kinder steht ihrem Herzen näher”. 1 A. Hitler

“Die verschiedenen Pflichten ergeben sich aus den unterschiedlichen angeborenen Fähigkeiten, die ihren biologischen Sinn haben”. 2 Gitta Schüssler, RNF Bundessprecherin

“Die Weiber sind eure Acker, geht auf eure Acker, wie und wann ihr wollt, weiht aber Allah zuvor eure Seele (durch Gebet, Almosen oder ein gutes Werk). Er erwartet natürlich, dass der Boden seines Ackers gut ist und dieser Früchte hervorbringt”. Koran 2: 224

Alltag “tausendjähriges Reich”

Schaut man sich aktuelle Berichte über das “vergangene” Deutschland einmal genauer an, so erscheinen - u.a. in der Knoppschen Berichterstattung - Frauen in erster Linie als Opfer. Selbst in den wenigen Momenten einer “selbstbestimmten Regung” fällt die Frau in Nazideutschland immer wieder in jene Rolle zurück, die ihr schon vom Führer persönlich auf den arischen Leib diktiert wurde. Sie marschiert ordentlich verzopft mit der Fahne für das Vaterland, hat die Betteldose für das Winterhilfswerk in der Hand oder wird mit hässlichem Blech für das sechste Kind ausgezeichnet. Aktiver tritt sie erst in den letzten Atemzügen des “tausendjährigen Reiches” auf: Neben Kindern und Greisen darf jetzt auch sie auf heranrollende Panzer schießen.

Die Führungsriege der Nationalsozialisten war in erster Linie ein Zusammenschluss des Patriarchats. Bis auf die “Paradefrau”3 (so A. Hitler) Gertrud Scholz Klink, die die Rolle der Reichsfrauenführerin spielen durfte, dienten Frauen auf dem gehobenen Parkett lediglich der Präsentation. Gehalten wie ein exotisches Tier durfte die Frau an der Seite des Führungsstabes debil lächelnd in die Kameras der Wochenschauen blicken, wie z.B. die spätere Ehefrau Adolf Hitlers, Eva Braun. Hin und wieder gelang es aber jenen Frauen, die durch das Amt ihrer Männer im Fokus des Volksinteresses standen, aus diesen Vorstellungen der Führung auszubrechen. So verdingte sich (nicht erfolglos) die zweite Frau des Leiters der Luftwaffe Hermann Göring in der Filmindustrie. Henriette von Schirach, die Frau des HJ Führers Baldur von Schirach, tummelte sich in der Wiener Kunstszene und selbst Magda Goebbels verspürte irgendwann keine Lust mehr darauf, weitere Kinder für den Führer zu gebären und forderte statt dessen die Errichtung eines offiziellen NS-Amtes für Modeangelegenheiten. Diese Art von Forderung stieß dem Reichspropagandaminister derart übel auf, dass er diesen Affront mit den Worten “wenn Magda sich nicht ändert, muss ich Konsequenzen ziehen”4 in sein Tagebuch niederschrieb. Der Alltag der gewöhnlichen Frauen stand noch weniger bis gar nicht im Fokus der Öffentlichkeit. Frauen durften weder Ämtern ausüben noch ohne die Zustimmung ihrer Männer einer Arbeit nachgehen. Selbst das Rauchen

Die Führungsriege der Nationalsozialisten war in erster Linie ein Zusammenschluss des Patriarchats.

in der Öffentlichkeit wurde ihnen Anfang der vierziger Jahre verboten. Nicht, dass das Rauchen eine emanzipatorische Tat gewesen wäre; das Verbot zielte eher auf die Gesundhaltung des weiblichen Körpers, der womöglich mit dem Genuss von Nikotin einen nicht wieder gut zu machenden Schaden bei der Reproduktion hervorgerufen hätte. Die medizinische “Fürsorge” des Alltags ging derweil in den Schlafzimmern weiter. Die Nazis verschärften das Abtreibungsrecht, das de facto so gut wie gar nicht bestanden hatte, derart, dass Frauen nur dann ein Abbruch genehmigt wurde, wenn der erwartete Nachwuchs als rassisch minderwertig galt. So genannte “Engelmacherinnen” erwartete die Todesstrafe bei Beratungen und Hilfe zu Abtreibungen. Beratende Einrichtungen wurden geschlossen. Die “echt-deutsche” Frau hatte zu gebären, ob sie wollte oder nicht.

Frauenbilder

All diese Einschnitte riefen keine Opposition hervor. Mit zunehmender Beliebtheit der Nationalsozialisten löste der “Führer” gerade bei den Frauen eine Art Massenhypnose aus. Wo immer Hitler auftrat, schienen die Frauen magisch von ihm angezogen zu sein. Zeitzeugen berichten von Ohnmachtsanfällen und hysterischen Schreikrämpfen. Hitler selber war sich diesem Kult um seine Person durchaus bewusst und formulierte diese Überzeugung mit den Worten: “Gewöhnlich führen die Weiber, dann kommen die Kinder, und wenn ich schon die ganze Familie für mich gewonnen habe, folgen auch die Väter.”5

Das Frauenbild Hitlers entsprach in etwa jener Ansicht über die deutsche Frau, welche der Psychologe Erich Fromm in einer Befragung Ende der zwanziger Jahre bei Angestellten und Arbeitern ermittelt hatte.6 So waren zwei Drittel aller Befragten der Meinung, dass Frauen an den Herd gehörten und ein weiblich besetzter Ar- beitsplatz einem Diebstahl gleichkäme, weil Arbeit allein Männersache sei. Fast alle Befragten waren sich darüber hinaus einig, dass Frauen weder Puder, Parfüm oder gar Lippenstift benutzen dürften. Diese Umfrage spiegelte ein Stück weit auch das Bild der Frau bei den Deutschen Kommunisten (KPD), die zum Großteil aus Proletariern bestand, wider.

Die “echt-deutsche” Frau hatte zu gebären, ob sie wollte oder nicht.

Täterinnen

Die Shoa, die Vernichtung der Juden durch die Deutschen, ist primär von Männern begangen worden. Die Namen hierzu lauten Himmler, Heydrich oder Mengele. Frauen waren Ehefrauen der Täter. Diese Tatsache entbindet sie jedoch nicht von einer Schuld, waren sie doch unabdingbar, um aus dem Massenmord eine Alltäglichkeit zu machen. So verwundert es dann auch nicht, dass der Kommandant von Treblinka auf die Frage, wie er den Alltag im Lager habe ertragen können, antwortete: “Ich weiß nicht. Vielleicht meine Frau. Die Liebe zu meiner Frau”7. Zudem arbeiteten auch knapp 3000 Frauen direkt mit in den Lagern. Sie selektierten an der Rampe, in den Krankenrevieren und unter den Arbeitskommandos, wer als nächstes in die Gaskammer zu kommen hatte. Über die Lager hinaus waren etwa 10.000 Frauen bei der SS angestellt. Sie tippten die Mordquoten, waren als Botinnen unterwegs oder funkten Befehle an die Einsatzkommandos.

Gerne mordeten Frauen auch mal ganz zwanglos wie ihre männlichen Volksgenossen. Die Frau des Gestapochefs von Drohobycz drosch mit einer Reiterpeitsche in eine Gruppe für den Abtransport bestimmter Juden derart ein, dass dabei ein Kind starb. Eine Vorliebe für das Gewehr hatte auch die Frau des Kommandanten des Zwangsarbeiterlagers Lemberg-Janovska. Wie der berüchtigte Amon Goeth (spätestens durch den Hollywoodfilm Schindlers Liste sollte er bekannt sein) berichtete, soll sie vom Balkon ihrer Wohnung aus auf Häftlinge geschossen haben. Frauen waren also sowohl direkt als auch indirekt an Mord und Totschlag beteiligt.

Frauen für den Endsieg

Mit dem Einfall in und der damit verbundenen Teilung des Staatsgebietes Polens durch die Nationalsozialisten und das stalinistische Russland änderte sich auch die Vorstellungen der Nazi-Ideologen, welcher Aufgabenbereich von Frauen zu erledigt werden hätte. Längst waren sie mit ihrem traditionellen Bild gescheitert: immer öfter blieben der Herd und die Küche allein, denn der Arbeitermangel in den Fabriken wurde mit weiblicher Belegschaft aufgefüllt. Mussten vorher schon 40 Prozent aller Frauen in Deutschland einer Werktätigkeit nachgehen, um ihre Familien zu ernähren, so waren bis 1938 anderthalb mal mehr Frauen in der Industrie beschäftigt als 1933. Mit dem Beginn des zweiten Weltkrieges sollte sich der Anteil der Frauen in den Rüstungsbetrieben und als medizinisches Begleitpersonal an der Front weiter erhöhen. Obwohl es keinen Zwang für Frauen gab, in der Rüstung und der späteren “totalen Mobilmachung” zu arbeiten, zeigten nun die Jahre der Propaganda ihre Wirkung. Was zuvor noch als “artfremd” verpönt war, schien nun kurz vor dem “Endsieg” nicht mehr als solches zu gelten. Schwere Maschinen wurden so umgebaut, dass sie auch von Frauen zu bedienen sein sollten. Industriesoziologen berieten über Schichtdienst und Pastellfarbe an den Wänden. Höhepunkt war eine publikumswirksame Straßenbahnfahrt von Magda Goebbels zum Kriegshilfsdienst, um bei Telefunken für die Rüstung zu schrauben. Trotzdem reichte der durch solche Aktionen gesteigerte “Einsatz” von Frauen bei Weitem nicht aus. So rechnete Rüstungsminister Albert Speer Hitler vor, dass weitere fünf Millionen Frauen in den Fabriken drei Millionen Männer für die Wehrmacht freisetzen könnten, was jedoch auf taube Ohren stieß.

Vom Beutezug zur Beute

Während der ersten Tage der Befreiung kam es im russischen Sektor zu unzähligen Übergriffen auf Frauen. Die Zahl der Vergewaltigten liegt bei geschätzten Millionen (konkrete Zahlen sind nicht zu ermitteln, da keine Möglichkeit einer Anzeige bestand und viele Frauen und Mädchen aus Scham schwiegen). Die Vergewaltigung von Frauen dient bis zum heutigen Tage immer auch als Kriegsmittel sowie dem Zweck der Erniedrigung der Opfer und der Erhöhung der Täter - galt doch alles, was aus dem Osten kam als “Untermensch”. Vergewaltigungen sind Ausdruck eines tierischen, entmenschlichten Aktes, der explizit männlich daherkommt. Ohne näher auf eine psychologische oder gar philosophische Betrachtungsweise einzugehen, bedienen diese Gewalttaten auch die Kanonen der deutschen Propaganda: von einem anti-kommunistischen Reflex bis hin zur Umdeutung der Täter/Opfer-Verhältnisse ist alles dabei. Und auch wenn es sich bei den von Übergriffen Betroffenen in Berlin um Deutsche handelte, so gilt hier, vom Menschen an sich zu sprechen, auch wenn sich die Deutschen durch die Shoa von der Menschlichkeit und dem Menschsein an sich verabschiedet hatten. Diese männlichen Verbrechen sollten erst Jahrzehnte später Gegenstand einer breiten öffentlichen Diskussion werden.

Verhältnismäßig wenige Täterinnen fanden sich vor Gericht wieder. In Nürnberg saß 1945/46 keine einzige Frau auf der Anklagebank. Von 1946 bis 1949 wurden gerade einmal zwei Frauen angeklagt. Die eine war Herta Oberheuser, die wegen medizinischer Experimente im KZ Ravensbrück zu zwanzig Jahren Haft verurteilt wurde (aber 1952 wegen guter Führung wieder frei kam). Die andere war Inge Viermetz vom Rasse- und Siedlungshauptamt der SS. Obwohl sie dort eine leitende Position innehatte, wurde sie vor Gericht freigesprochen. Bereits 1945 wurden einige KZ-Aufseherinnen durch den so genannten britischen Bergen Belsen-Prozess verurteilt. Dabei wurde u.a. Irma Grese, die dort sowie in Auschwitz ihren Dienst getan hatte, zum Tode verurteilt.

Auf der anderen Seite ist das Bild von der Frau im Nachkriegsalltag dadurch geprägt, dass sie sich entweder für Zigaretten oder Seidenstrümpfe “anbietet”, oder mit Eimer und Ziegelstein bewaffnet den Wiederaufbau des ehemaligen “tausendjährigen Reiches” vorantreibt. Auch das Bild der Frau, die mit dem Taschentuch in der Hand am Bahnsteig auf die Rückkehr von Kriegsgefangenen aus Russland wartet, war sehr beliebt. Gesellschaftlich und politisch spielte die Frau wie zuvor eine untergeordnete Rolle.

Mit der Konstruktion der Deutschen Demokratischen Republik wurde die postnazistische Transformation weiter befeuert. Während der kalte Krieg aufzog, heizten die alten Volksgenossen im Westen ihre Säle mit dem Pathos der Vergangenheit. Egal, welche Organisation oder Vereinigung im neonazistischen Spektrum auch immer zu dieser Zeit wieder nach oben trieb, Frauen spielten jene Rollen, die sie schon in den zwölf Akten des tausendjährigen Reiches zum Besten gegeben hatten. Die eigene, weibliche Identität hatte hinter das Reich zurückzufallen. Das von Frauen “Geleistete” - Opferstatus, Vorantreiben des Wiederaufbaus und sexuelle Verdinglichung - trug nicht zu einer neuen Positionierung innerhalb der postnazistischen Männerbünde bei. Weder in der Sozialistischen Reichspartei noch in der HIAG (Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit) waren Frauen in Funktionen oder gar auf gleicher - schlechter - Augenhöhe mit Männern. Fast schon wie eine Fata Morgana muss da die Abgeordnete der Deutschen Reichspartei (DRP) gewirkt haben. Die ehemalige Führerin der Niedersächsischen Landfrauen im NS-Reichsnährstand, Hildegard von Rheden, saß von 1955 bis 1959 im niedersächsischen Landtag - als Frauenreferentin.

Über die Lager hinaus waren etwa 10.000 Frauen bei der SS angestellt.

Befreite Kameradinnen

Im Frühjahr 1984 gründete der charismatische Nazi Michael Kühnen die Deutsche Frauen Front (DFF). Sie ging aus dem Mädelbund hervor, der ein Teil der 1982 verbotenen Aktionsfront Nationaler Sozialisten (ANS) war. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass eine Organisation von Nazifrauen für Nazifrauen von einem Mann ins Leben gerufen wurde. Das Vorhaben, die spezifische NS-Frauenideologie zu vermitteln, richtete sich an die Frauen, die sich in der “Szene” aufhielten und auf ihre zukünftige Rolle im zu erkämpfenden Reich vorbereitet werden sollten. Nach knapp einem Jahr Organisation entstand ein kleines Heft unter dem Titel Die DFF informiert. Hier durften die Frauen sich über Backrezepte, die Pflege von zu erwartenden Kindern und Haustieren austauschen sowie ein wenig Politik betreiben. Die Protagonistinnen hinter diesem Blatt, welches sich dann ab 1986 Die Kampfgefährtin nannte, waren neben Uschi Worch (die ehemalige Frau des wohl bekanntesten und immer noch aktiven Nazis Christian Worch aus Hamburg), Ursula Müller (die bis heute noch Vorsitzende der Hilfsgemeinschaft für nationale Gefangene ist) und Sabine Wasilewski. Nicht mal ein Jahr später kam es dann zur Spaltung der DFF. Mit der Fragestellung “Dürfen Mädels an Straßenschlachten teilnehmen?”8 brachte man die Kameraden auf die Barrikaden. Uschi Worch, welche sich noch in früheren Ausgaben für den Straßenkampf von Frauen stark gemacht hatte, änderte im Laufe der Diskussion darüber ihre Meinung und besann sich auf die “Heim und Herd-Mentalität”. Wasilewski hielt erstaunlicherweise an ihrer Überzeugung fest, dass Frauen durchaus an militanten Aktionen teilnehmen könnten, allein schon aus den Argumenten heraus, die Worch zuvor noch ins Felde geführt hatte: so hatte diese u.a. behauptet, dass bei

Frauen waren also sowohl direkt als auch indirekt an Mord und Totschlag beteiligt.

einem Mann die Gefahr der Unfruchtbarkeit, z.B. durch einen gezielten Tritt in die Genitalien, zu groß sei, während bei einer Frau auch bei Verletzungen der unteren Körperregion die Gefahr, davon nicht mehr gebärfähig zu sein, weniger bis gar nicht bestünde. Statt diese Position aber in der DFF informiert kundzutun, entschied sich Wasilewski, das Heftchen Mädelbrief zu vertreiben. Es folgte eine zweite Spaltung, die auf die Diskussion um die Homosexualität von Michael Kühnen zurückzuführen ist. Bis zum Anschluss der Ostzone an das Gebiet der Bundesrepublik war die DFF nahezu bedeutungslos geworden. Eine Reaktivierung erfolgte im Jahr 1990. Sie wurde initiiert von Christian Worch und der “Verlobten” des inzwischen verstorbenen Michael Kühnen, Esther “Lisa” Wollschläger. Der Ordnung halber sei noch erwähnt, dass Christian Worch und Wollschläger zu diesem Zeitpunkt eine Lebensgemeinschaft eingegangen waren.

Problemzonen

Nachdem die deutsche Nation mit Hilfe des “Untergangs” der DDR und des gesamten pseudokommunistischen Ostblockes den eigenen Aufstieg in den Olymp “vollwertiger Völker” absolviert hatte und überall glühende Molotowcocktails in blühende Zonenstädte Einzug fanden, war es auch an der Zeit, die Frau innerhalb der Kameradschaft zu befreien. Nun ging die “Befreiung” nicht immer einher mit der Vermittlung von deutschen Tugenden. Statt sich die Haare zum ordentlichen Zopf zu binden und einen über das deutsche Knie reichenden Rock zu tragen, konnte und sollte sie “saufen und raufen” wie ein Mann. Zum Bedauern der Naziskinhead-Fraktion ließen sich nicht alle Frauen, respektive Renees oder Skingirls, darauf ein. Einige bezahlten diesen Ungehorsam mit dem Tod. Eine von ihnen war die siebzehnjährige Nicole Bargenda, die als Mitglied einer Skintruppe erst im Kollektiv vergewaltigt und anschließend ermordet wurde.9 Die Skinhead-Fraktion war zu diesem Zeitpunkt ein stetig wachsender Markt der Abscheulichkeiten. Neben Musikgruppen schossen diverse Fanzines und Magazine aus dem Boden. Abgesehen von den wenigen wirklich politischen Inhalten, welche die Hefte behandelten, ging es meist um Musik, Kleidung und vor allem Frauen. Der Duktus, der dort gang- und gebe war, offenbart die auf die Triebabfuhr gerichtete Denkweise der überwiegend männlichen Leserschaft. Kontaktanzeigen wie diese waren nicht die Ausnahme: “Notgeiler Skinhead (1,60m großer Zwerg mit roten Haarstoppeln, Sommersprossen und rotem Flaum auf der Brust) sucht Renee, das ihn davor bewahrt, wegen Vergewaltigung in den Knast zu gehen…”10. Einige Jahre später sollte Dieter Miesling Riefling aus Recklinghausen sein Renee finden: Ricarda Riefling repräsentiert heute in Hildesheim, Niedersachsen, den Ring Nationaler Frauen, kurz RFN.

Im Laufe der Zeit wuchsen die Haare bei beiden Geschlechtern. Frauen - sofern sie das durchaus gängige “durchgereicht Werden” in der Szene weitestgehend unbeschadet überstanden hatten - reproduzierten oder zogen sich komplett aus der Szene zurück. Auf der anderen Seite der braunen Medaille gab es immer ein traditionell ausgerichtetes “weibliches Volkswesen”. In den diversen nazistisch-bündischen Zusammenschlüssen konnte an die Ideologie der Großmütter angeknüpft werden. Eine dritte Gruppe durfte sich inzwischen auch in der Politik üben. Dabei waren sie sogar teilweise erfolgreicher als ihre männlichen Genossen. Doris Zutt aus Ehringshausen in Hessen gehört noch zu dieser ersten Generation von Frauen, die bei Wahlen mitunter zweistellige Ergebnisse erzielen. Auch die Republikaner setzten zeitweise recht erfolgreich auf Frauen. Mit Uschi Winkelset ist bis zur heutigen Bedeutungslosigkeit dieser Partei eine Frau im Bundes- und Landesvorstand vertreten.

“Sie” sickert in die Subkulturen

Seitdem es die Autonomen Nationalisten und Freien Kameradschaften gibt, hat sich das traditionelle Feindbild der Antifa nicht nur optisch verändert. Bei Aufrufen, wie z.B. dem zum inzwischen traditionellen Antikriegstag in Dortmund mit bis zu 1.000 Teilnehmern, ist es schwer auszumachen, ob diese von Nazis stammen oder Satz für Satz von antiimperialistischen Gruppen wie dem Initiativ e.V. aus Duisburg übernommen wurde. Auch optisch unterscheiden sich jene vermeintlich spinnefeind gegenüberstehenden Gruppen nicht mehr wirklich. Beide tragen das Bluttuch der Palästinenser, zeigen die Fahnen von Terrorgruppen wie der Hisbollah oder der Hamas und sind letztendlich nur noch nicht übereingekommen, wie man die Juden in Israel am günstigsten ins Meer treibt. Dieses Übernehmen oder Kopieren linker Symboliken und Sprüche in der Rechten eröffnet die Chance für die neue Generation von Mädchen/ Frauen der nazistischen Gruppen, sich einerseits beim “Feind” in der “Anti-Antifa-Disziplin” zu üben, als in politisch nicht klar definierten Jugendsubkulturen der Republik ein- und auszugehen, ohne Verdacht zu erregen.

Mädchen, bzw. Frauen haben sich diese Disziplin als Teil der politischen Arbeit nicht wirklich “erkämpft”. Vielmehr geht diese “Arbeit” mit der pragmatischen Einsicht einher, dass Nazi-Frauen, nach ihrer Optik und ihrem Auftreten geurteilt, kaum der nazistischen Szene zugeordnet werden können. Diesem Missverständnis sitzt selbst die radikale Linke immer wieder auf. In regelmäßigen Abständen wird im Kummerkasten der Linken, dem “Info”-Portal Indymedia bekannt gegeben, dass jene XY als U-Boot in den “Antifa-Hafen” aus Dorfhausen eingefahren sei. Auch in der Logistik, Planung und Umsetzung spielen Frauen in der AN- und FK-Struktur eine entscheidende Rolle. Mal fungieren sie als Anmelderin einer Demonstration oder Kundgebung, was es dem Rest der Rackets leichter macht, da die Anmelderinnen in der Regel nicht der Polizei bekannt bzw. selten vorbestraft sind. Ein anderes Mal sind sie Ordnerinnen, mobile Sanitäterinnen oder dürfen ihre Texte nicht mehr nur selber schreiben sondern auch noch auf den Demonstrationen vortragen. Als Fazit kann man sagen, dass gerade in den nicht-parteipolitischen Organisationen die Frau bzw. das Mädchen auf Augenhöhe mit den Männern marschiert. Zu einer internen Diskussion über das Geschlechterverhältnis ist es bislang nicht gekommen.

Bei der NPD, der größten und aktivsten aller nazistischen Parteien, gibt es seit September 2006 eine offizielle Frauensektion. Der Ring Nationaler Frauen (RFN) ist zwar vom Bundesvorstand anerkannt, wird aber finanziell nur mäßig bis gar nicht unterstützt. Als Geste des Guten Willens überließ der Bundesvorstand den Frauen von der RNF einen zweiten Sitz im selbigen. Die treibenden Kräfte in der Frauensektion der NPD sind Stella Palau und Gitta Schüssler. Schüssler, die auch die vierte Frau in einer NPD Fraktion (Stand 2007) ist, sieht die Arbeit des RNF in der Anwerbung neuer und vor allem weiblicher Mitglieder. Diese Art der Werbung sieht vor, dass sich die RFN-Mitglieder vor Ort sozial engagieren. Auch hier kommen ihnen die typischen Stereotypen zugute (ähnlich wie ihren “freien braunen Schwestern”), nämlich dass Frauen gut und nicht böse, keine Rassistinnen oder gar Schlägerinnen sein können. So wirken sie im örtlichen Kindergarten, in den Vereinen oder an den Schulen. Sie organisieren, planen, kümmern sich und werden so mit der Zeit als Konstante unentbehrlich.

Epilog

Schaut man sich die Entwicklung der Frau im nationalsozialistischen Milieu von 1933 bis zum Postnazismus der Bundesrepublik an, so bleibt als Fazit zu sagen, dass es jene emanzipatorische Entwicklung, welche es in der politisch-bürgerlichen Linken gegeben hat und die bis heute nicht als abgeschlossen betrachtet werden darf, nicht gab. Es bedarf vermutlich einer weiteren Generation von Frauen und Mädchen, bis auch nur im Ansatz von einer positiven Entwicklung die Rede sein wird (sofern in diesem Zusammenhang überhaupt von Positivem gesprochen werden kann). Dies wird für die Nazis im Zeitalter von Gender-Theorie und einem Verrücken des traditionellen Familienbilds unausweichlich sein. Die Frage ist, ob man hier überhaupt von einer Befreiung und Gleichstellung von Frauen sprechen will. Die einen betrachten eine Kanzlerin als Fortschritt, die anderen wundern sich über den Fortbestand von Zeitschriften wie der EMMA. Sollte es der nazistischen Frau dennoch irgendwann

Das Vorhaben, die spezifische NS-Frauenideologie zu vermitteln, richtete sich an die Frauen, die sich in der “Szene” aufhielten und auf ihre zukünftige Rolle im zu erkämpfenden Reich vorbereitet werden sollten.

gelingen, selbst eine männerdominierte Partei wie die Linkspartei zumindest in realen Zahlen zu überflügeln, wirkte sich dieser “Fortschritt” eher wie ein weiterer Schritt in Richtung Rückschritt aus. Rechte Frauen sind der Schlüssel für die Tür in die Zivilgesellschaft. Das haben sie zumindest erkannt und werden aus dieser Position heraus für den Kampf gegen die Freiheit kämpfen. Hoffnung auf eine Humanisierung der Szene ist illusorisch. Nazistische Frauen haben bislang immer bewiesen, dass sie in ihrem Hass auf die Freiheit und auf eine freie Gesellschaft ihren männlichen Genossen in nichts nachstehen. Darin unterscheiden sie sich in nichts von ihren Genossinnen des islamfaschistischen Flügels. Der Kampf der “schwarzen Witwen” und “Suicidebomberinnen” unterscheidet sich wenn überhaupt nur durch das Tragen des Elendstuchs auf dem Kopf. Beide Fraktionen sind im Kampf gegen die Freiheit “Sisters in Crime”, oder wie Walter Benjamin es mit Blick auf die Deutschen einmal formulierte: “Mit tierischer Dumpfheit, aber ohne das dumpfe Wissen der Tiere”11.

Eine Auswahl an postnazistischen Frauengruppen nach 1945:

  • 1970-1979 Mädelbund der Wiking Jugend (verboten seit 1994)

  • 1980-1989 Deutsche Frauen Front (DFF) FAP Frauenschaft (verboten seit 1995)

  • 1990-1999 Freier Mädelbund Bad Ganderheim Nationaler Mädelbund Thüringen Gemeinschaft deutscher Frauen (GdF) Mädelschar Deutschland- Arbeitskreis Mädelschar

  • Ab 2000 JN Mädelbund NRW Frauen in der Fränkischen Aktionsfront (verboten seit 2004) Mädelkameradschaft der Kameradschaft Tor (verboten seit 2004) Mädelring Thüringen Ring Nationaler Frauen

  • Nazistische Musikgruppen von und mit Frauen Wallküren - Unter einer Fahne (1996) Froidenspender - Same (1999) Anett Moeck - Eine Mutter klagt an (2000), Weil es so ist (2000), Solang mein Herz schlägt (2006) Faktor Deutschland (Michael Müller und Anett Moeck) - Das Volk steht auf! (2005)

  • Frauenanteil in den verschiedenen Ausdrucksformen des Nazismus Straf- und Gewalttaten Ca. 3,5%, inzwischen ca.10% Mitgliedschaft in Parteien 7-20%, davon in Funktionen ca. 20% Organisationen und losen Gemeinschaften ca. 25-33% Als Wählerinnen ca. 33% Mit nazistischer Einstellung ca. 50% (Alle Zahlen Stand 10/2004)

Weiterführende Literatur:

  • Bitzan, Renate - Rechte Frauen, Skingirls, Walküren und feine Damen, Berlin 1997 Elefanten Press.
  • Bitzan, Renate - Selbstbilder rechter Frauen. Zwischen Antisexismus und völkischen Denken. Tübingen (edition diskord)= Untersuchung zu Beiträgen von Frauen in rechtsextremen Zeitschriften, insb. zu ihren heterogenen Positionen im Geschlechterdiskurs.

  • Fantifa Marburg (Hg.) (1995) - Frauen stricken am braunen Netz, Münster (Unrast Verlag).

  • Holzkamp Christine/Rommelsbacher, Birgit (1991) - Frauen und Rechtsextremismus, in: Päd. Extra Heft 1/1991, S.33-39.

  • Wlecklik, Petra (Hg.) (1995) - Frauen und Rechtsextremismus, Göttingen.

  • Büchner, Britta (1995) - Rechte Frauen. Frauenrechte und Klischees der Normalität. Gespräche mit Republikanerinnen.

  • Rechtsextremismus und Gewalt (1994) - Affinitäten und Resistenzen von Mädchen und jungen Frauen. Studie im Auftrag des Ministeriums für die Gleichstellung von Frau und Mann des Landes NRW, vorgelegt von Hilde Utzmann-Krombolz/polis, Düsseldorf, Januar 1994. Rommelsbacher, Birgit (2000) - Das Geschlechterverhältnis im Rechtsextremismus, in Wilfrid Schubarth, Richard Stöss (Hg.) Rechtsextremismus in der BRD. Eine Bilanz, Bonn S.199-219.

  • Maul Thomas (2006) - Die Macht der Mullahs, ça ira Verlag Freiburg.
  1. Adolf Hitler in: Rosten, Curt: Das ABC des Nationalsozialismus. Berlin 1933, S.198. 

  2. Gitta Schüssler vom Ring Nationaler Frauen in ihrem Flyer gegen Gendermainstreaming, siehe http://www.ring-nationaler-frauen.de/netzseiten/pdf_datei/gender-Flugblatt.pdf. 

  3. “Vier Paradefrauen habe ich gehabt: Frau Troost, Frau Wagner, Frau Scholtz-Klink und Leni Riefenstahl.” (A. Hitler, 1942) Zitiert nach Sigmund, Anna M.: Die Frauen der Nazis II. München 2005. 

  4. Zitiert nach Meyer, Fritjof und Klaus Wiegrefe: Die Schlacht der Frauen. In: Der Spiegel vom 20.11.2000 siehe http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-17871113.html. 

  5. Zitiert nach Ebd. 

  6. Studie von 1929/1930 von Fromm, Erich: Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reiches. Eine sozialpsychologische Untersuchung. Herausgegeben 1980 von Wolfgang Bonß. 

  7. Zitiert nach Meyer, Fritjof und Klaus Wiegrefe: Die Schlacht der Frauen. In: Der Spiegel vom 20.11.2000 siehe http://www.spiegel. de/spiegel/print/d-17871113.html. 

  8. “Die Frage der direkten Kampfbeteiligung führt im Juli 1987 zur ersten Spaltung der Deutschen Frauenschaft (DFF). Ursula Worch, die in dem Konflikt ihre Auffassung zur weiblichen Gewalt um 180 Grad linientreu wenden wird, proklamiert noch im April 1985 in DFF-informiert die Teilhabe von Frauen am aktiven Straßenkampf.” Berger, Christiane: Die “Reichsfrauenführerin” Gertrud Scholtz-Klink Zur Wirkung einer nationalsozialistischen Karriere in Verlauf, Retrospektive und Gegenwart. Hamburg 2005. Volltext siehe: http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=981127606&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=981127606.pdf 

  9. Dieckmann, Bernhard, Wulf, Christoph und Michael Wimmer: Violence. Racism, Nationalism, Xenophobia. New York 1997. S.308. 

  10. Zu Ricarda Riefling und ihrem Mann Dieter Riefling siehe Lang, Juliane: Gefährlich im Aufwind. Rechtsextreme Frauen. In: Frauenrat. Ausgabe 6/2008. 

  11. Benjamin, Walter: Kaiserpanorama. Reise durch die deutsche Inflation. In: Einbahnstraße, Gesammelte Schriften, Band IV, 1, S.99. 

Georg Domkamp schreibt für die Zeitschrift /Prodomo/ und auf dem Blog/Post aus der Provinz/ (postausderprovinz. wordpress.com).

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