Verschmelzungssehnsüchte
Überlegungen zum Verhältnis von Erfahrung, Natur und Geschlecht anhand der „Xenogenesis“- Reihe von Octavia Butler
„Und ich biete dir eine Einheit an, nach der deine Leute streben, von der sie träumen, die sie aber allein nicht wirklich erreichen können.“1
Der Moment des absoluten (sexuellen) Einswerdens, den Nikanj, Vertreter der außerirdischen Lebensform Oankali, im vorangestellten Zitat in Aussicht stellt, ist eines der prägnanten Bilder der Xenogenesis-Trilogie von Octavia Butler. Die feministische Science-Fiction-Romanreihe, die im Laufe der späten 70er und frühen 80er Jahre2 zuerst in den USA, später auch in deutscher Übersetzung erschienen ist, kreist um die phantastische Vorstellung einer Möglichkeit direkter und unvermittelter Einfühlung und wirft darin die Frage auf, was eigentlich Mensch-Sein ausmacht und wie sowohl die eigene Natur als auch die sozialen Beziehungen unser Begehren formen und unsere Bedürfnisse strukturieren. Im Vordergrund der in der Xenogenesis-Reihe verhandelten Thematik steht das Verhältnis von autonomer Selbstbestimmtheit und Individuation zur Sehnsucht nach inniger Verbundenheit, vielleicht sogar Einswerdung mit anderen: ein grundlegendes Dilemma des Menschseins, dem ich entlang einiger Passagen aus Butlers Romanreihe nachgehen möchte.
Einswerden, miteinander verschmelzen. Die Kluft zwischen
eigener und fremder Wahrnehmung überwinden,
Gefühle und Affekte direkt übertragen können: In der
Sehnsucht nach unvermittelter Einheit hebt sich das
Versprechen auf eine direkte Erfahrung der Welt und
des*der Anderen auf, das Begehren danach, Bedürfnisse
nicht mehr mühselig einordnen, äußern und
mit einem Außen vermitteln zu müssen. Darin aufgehoben
ist auch die Sehnsucht nach einer Art Vervollständigung
einer ursprünglichen Ganzheit,
nach der Aufhebung eines inneren Mangels. Aber
an Verschmelzung haftet auch etwas bedrohliches,
fast schon todessehnsüchtiges, denn sie impliziert
die Aufhebung der eigenen Körpergrenzen und des
autonomen Ichs, löst die subjektive Selbstständigkeit
auf. Verschmelzung heißt auch Unterwerfung in
einen Nicht-Subjekt-Status, drückt eine Sehnsucht
nach Konfliktfreiheit, nach einem „Nicht mehr Aushalten-
Können“ von Widersprüchen und Ambivalenzen aus.
Das, was ich in diesem Text unter „Verschmelzungssehnsüchte“ zu
fassen versuche, weist zurück auf einen grundlegenden Aspekt des
Mensch-Werdens: Als abhängiges Wesen in die Welt geworfen –
denn ein Säugling und Kleinkind kann alleine nicht überleben –,
ist der Mensch von Beginn an ein soziales, auf andere verwiesenes
Wesen. Abhängigkeit von und die Nähe zu Anderen ist also Teil der
Mensch- und Subjektwerdung, genauso wie die Notwendigkeit,
irgendwann selbstständig zu werden und Autonomie zu erlangen.
Jede Gesellschaft formt auf ihre spezifische Art dieses menschliche
Grundverhältnis und darin vermittelt das Verhältnis von Ich und
Anderem, von Abhängigkeit und Autonomie. Nähe, Abhängigkeit
und Bedürftigkeit scheint allerdings unter den heutigen gesellschaftlichen
und ökonomischen Verhältnissen etwas Abgewertetes und Verworfenes anzuhaften; Autonomie hingegen ist das
ungebrochene Versprechen auf eine gelungene Ich-Werdung. Verschmelzungssehnsüchte
als das (verdrängte?) Gegenstück dieser
Überbetonung individueller Autonomie basieren auf dem grundlegend
menschlichen Bedürfnis nach Nähe, Intimität und Verbundenheit.
Doch die subjektauflösende Tendenz, die sich in Verschmelzungssehnsüchten
zeigt, verknüpft die Sehnsucht nach
Nähe und Geborgenheit mit der Auflösung des Ichs. Verschmelzungssehnsüchte
stellen also eigentlich eine Verzerrung dieser
grundlegenden Bedürfnisse dar. Und so sehr wir alle von diesen
Bedürfnissen geformt sind, so verstehe ich sie dennoch vor allem
als einen – oftmals schmerzhaften – Aspekt weiblicher Erfahrung
und weiblichen Begehrens.3 Denn Teil der „falschen“ Überformung
menschlicher Grundbedürfnisse ist, dass sie sich vorwiegend in
der geschlechterpolarisierten Variante Frau = Abhängigkeit, Nähe,
Einswerdung und Mann = Unabhängigkeit, Individuation, Autonomie
zeigen. In Verschmelzungswünschen, gedacht als Zerrbild
menschlicher Bedürfnisse, wird also auch eine Geschlechterhierarchie
sichtbar.
Anhand ausgewählter Szenen und (Körper-)Bilder der Xenogenesis-
Reihe will ich nachspüren, wie grundlegende Bedürfnisse oder
Dilemmata in Verschmelzungssehnsüchten – wenn auch verzerrt
und verstellt – zum Ausdruck kommen. Zentral ist dabei die Verknüpfung
mit psychoanalytischen Theorien der (weiblichen) Subjektwerdung,
innerhalb derer die Ablösung von der Mutter als Verabschiedung
von einer „ursprünglichen Einheit“ und notwendige
Voraussetzung für die Entwicklung einer individuellen, autonomen
– bürgerlich-männlichen – Subjektivität verstanden wird.4
Die Sehnsucht nach Einswerdung, nach eben jener ursprünglichen
Einheit, ist dann im Folgeschluss nur noch les- und denkbar
als regressiver Wunsch infantiler Sehnsüchte, bleibt dabei aber
verknüpft mit der Figur der Mutter als Symbol weiblicher Subjektivität.
Weiblichkeit haftet in dieser Denkbewegung also immer
etwas regressives an. Inwiefern und ob Verschmelzungssehnsüchte
aber auch etwas „anderes“ denkbar machen können, und ob in
der utopischen Fiktion die Verzerrung entzerrt werden kann, soll
anhand der fantastischen Science-Fiction-Szenarien der Xenogenesis-
Series und mit Rückgriff auf die Psychoanalyse diskutiert
werden.
Medusenhafte Tentakelwesen
Die Xenogenesis-Reihe beginnt mit dem Aufeinandertreffen von Lilith, der menschlichen Protagonistin, und Jdahya, einem Vertreter der außerirdischen Lebensform der Oankali. Wir erfahren, dass die Menschheit sich selbst durch nukleare Kriege fast komplett ausgelöscht hat und die Überlebenden von den Oankali gerettet und in eine Art Tiefschlaf versetzt wurden. Nach und nach wer den sie durch Lilith erweckt, mit dem Ziel, als symbiotische Mischform (human-oankali-constructs) die Erde wieder zu besiedeln. Wir erfahren auch, dass es sich bei den Oankali um eine Art medusenhaft anmutende Tentakelwesen handelt, in der Grundform humanoid (Torso, zwei Beine, zwei Arme, Kopf), jedoch am ganzen Körper mit gräulichen Auswüchsen überzogen. Sie ähneln einer Schwarmintelligenz, kommunizieren vorwiegend über Tast- und Geruchssinn und interagieren qua Gentransmutation mit der sie umgebenden Welt; formen durch DNA-Veränderungen also sich selbst und ihre – vollkommen organische – Technologie beständig um. Die Oankali besitzen keine ,Urform‘, sondern wandern (in verschiedenen Manifestationen) durch das Universum und entwickeln sich in Symbiose mit anderen Lebensformen beständig weiter. Sie bezeichnen sich selbst daher als ,Gen-Händler‘:
„Wir machen das, was ihr als Gentechnik bezeichnen würdet. Wir wissen, daß ihr selbst ein bißchen damit angefangen hattet, aber es ist fremd für euch. Für uns ist es natürlich. Wir müssen es tun. Es regeneriert uns, ermöglicht uns, als eine evolvierende Spezies weiterzuleben, anstatt uns selbst bis zur Vernichtung oder Stagnation zu spezialisieren. […] Es gehört zu unserer Fortpfl anzung, aber es ist weitaus überlegter als alles, was ein Menschenpaar bisher zustande gebracht hat. […] Siehst du, wir sind nicht hierarchisch. Wir waren es nie. Aber wir sind ungeheuer erwerbssüchtig. Wir erwerben neues Leben – suchen es, erforschen es, manipulieren es, sortieren es, benutzen es. Den Trieb dazu tragen wir in einer ganz kleinen Zelle innerhalb einer Zelle – eine winzige Organelle in jeder Zelle unseres Körpers.“5
Und auch wenn jede*r Oankali diese Organelle in sich trägt, so sind es doch die Oolois – das dritte Geschlecht der Oankali –, die verantwortlich sind für die Überwachung und Durchführung der Genmanipulationen als reproduktiv-technologische Akte. Im Gegensatz zu den männlichen und weiblichen Oankali besitzen die Oolois ein zusätzliches Paar „Arme“, zwei Körperausformungen, in denen sich sogenannte „sensory organs“ verbergen: hochsensitive Tastorgane, deren Berührung für Gentransformationen, Heilung, Sexualität und mehr benötigt wird. In gewissem Sinne kann man die Ooloi somit als Inbegriff der Wesenhaftigkeit der Oankali sehen: die Fähigkeit zur Untersuchung und Manipulation von DNA, eine gesteigerte (v. a. taktile und olfaktorische) Sensorik und ein telepathisch anmutendes Einfühlungsvermögen, das einhergeht mit einer Art kollektiver Erinnerung. In der Welt der Oankali ist alles miteinander verbunden – alles ist Körper, alles ist Bio-Technologie, die Grenze verschwimmt –, weswegen man die Trilogie durchaus auch als posthumanistischen Weltentwurf betrachten kann. Aspekte davon sollen im letzten Abschnitt dieses Beitrags kritisch diskutiert werden.
Das Versprechen der ursprünglichen Einheit
Im Verlauf ihrer – erzwungenen – Annäherung an die Oankali
trifft Lilith auf Nikanj, ein Ooloi-Kind, mit dem sie bald beginnt,
eine engere Bindung einzugehen – zwangsläufig, denn die Ooloi
„binden“ andere durch eine Art Geruchsimprägnierung aktiv an
sich. Schnell wird zudem Liliths Rolle für die Oankali deutlich: sie
soll, als eine Art ,Urmutter‘, nach und nach Menschen erwählen
und erwecken und sie auf die kommende, in Symbiose mit den
Oankali stattfindende Neubesiedelung der Erde vorbereiten. So
trifft sie auch auf Joseph, mit dem sie eine Beziehung eingehen
wird. Doch unter dem „sanften Regime“ der Oankali ist jegliche
menschliche Sexualität und Reproduktion sinnlos geworden –
zum einen, weil die Reproduktionsfähigkeit der Menschen durch
Gen-Mutation verunmöglicht wurde; zum anderen, weil die Bindung
an ein Ooloi eine klassische „Zweier-Bindung“ unerträglich
macht, die Berührung des anderen ohne den Ooloi Ekel auslöst:
„Sein (Josephs, KAZ) Fleisch fühlte sich irgendwie falsch an, seltsam
abstoßend.“6
Einprägsam jedoch ist die bereits angedeutete Praxis der sexuellen „Drei-Einheit“, die Butler in ihren Büchern entwirft: Ein
Sandwich aus Ooloi, Mann und Frau – alle drei liegen dicht aneinander
–, die „sensory arms“ des Ooloi (Nikanj) „klinken“ sich in die
Nacken, ins Nervensystem der anderen beiden ein. Das Ooloi wird
sozusagen zum unsichtbaren „Verbindungsglied“ zwischen ihnen
und erzeugt eine Art direkter, unvermittelter Erfahrung:
„Sie hatte kein Gefühl der Veränderung, der ‚Zeit allein‘ im
Gegensatz zu der gegenwärtigen ‚Zeit zusammen‘. Er war immer
da gewesen, ein wesentlicher Teil von ihr.
Nikanj konzentrierte sich auf die Intensität ihrer Anziehung,
ihrer Vereinigung. Es ließ Lilith keine andere Empfindung. Es
schien sich selbst zu verbannen. Sie spürte nur Joseph, fühlte,
daß er sich nur ihrer bewußt war.
Nun entflammte ihre Lust aneinander und brannte. Sie bewegten
sich zusammen und hielten eine unmögliche Intensität
aufrecht, beide unermüdlich, in völligem Einklang, entflammt
in Empfindung, einer im anderen verloren. Sie schienen aufwärts
zu stürzen. Lange Zeit später schienen sie langsam, allmählich
hinunterzutreiben, genossen noch ein paar Augenblicke
ganz zusammen.“7
Die Sexualität der Oankali stellt sich in erster Linie als „elektrochemische
Stimulation gewisser Nerven“, als „neurosensorische Illusion“
dar. Durch die invasiv-taktile Erregung des Nervenapparats
wird das Gefühl einer direkten, unvermittelten (sexuellen) Erfahrung
miteinander erzeugt – einer Erfahrung, die eine scheinbare
Ganzheit spürbar macht. Für mich verweist das beschriebene
Szenario – die körperliche Nähe, das „Ineinandergreifen“ der Körper,
die vollkommene Glückseligkeit durch starke innere Verbundenheit – auf die Freudsche Konzeption der Subjektentwicklung,
bei der sich in der Beschreibung des entstehenden „unbewußten
Wunsches“ und des primären Befriedigungserlebnisses ein ebensolcher
Zustand der scheinbaren „Ganzheit“ wiederfindet.
Freud zufolge sind die frühkindlichen Erfahrungen der „Lebensnot“,
also die Ohnmacht und Hilflosigkeit des Säuglings angesichts
der ihn überflutenden Reize (z.B. Hunger, Schmerzen, Wärmebedürfnis),
einschneidend. Die Erfahrung der eigenen
Leiblichkeit mit all ihrer Wucht ist dabei Voraussetzung für das
Entstehen des ersten, unbewussten und – dies wird sich noch zeigen
– unerfüllbaren Wunsches. Der hilflose Säugling versucht
zunächst durch Schreien oder Zappeln der erhöhten Erregung
entgegenzuwirken, erfährt aber eine Ohnmachtssituation, da die
erhoffte Wirkung nicht eintritt: motorische Hilflosigkeit wird zu
psychischer Hilflosigkeit, die nur durch Hilfe von Außen, die die
ersehnte Reizabfuhr herbeiführt, überwunden werden kann –
wobei Reizabbau bei Freud das Erleben von Lust impliziert. Die
Wahrnehmung der Erregung selbst und das eingetretene „erste
Befriedigungserlebnis“ werden dabei vom Säugling als ungetrennt
wahrgenommen, fallen für ihn zusammen – er halluziniert eine
Einheit (die so nicht da war), weil er den Unterschied zwischen Ich
und Anderem, Innen und Außen erst wahrzunehmen lernen muss.
Wiederholt sich nun diese Situation, entsteht ein Störmoment,
denn der bleibende Hunger entlarvt die Einheitsvorstellung als
Fantasie. Das Ausbleiben des realen Befriedigungserlebnisses
(denn halluzinierte Nahrung sättigt nicht) zementiert das Dilemma:
„Um des Überlebens willen muss die Differenz zwischen Wahrnehmung
und Halluzination eingeführt werden.“8
Auch in der sexuellen Dreiheit, die sich zwischen Nikanj, Lilith und
Joseph entspannt, gibt es ein Störmoment: mit einem Schrei
„erwacht“ Lilith, im Zuge der oben beschriebenen Szene, aus der
neurosensorischen Einheit. Sofort überkommen sie Zweifel an der
Echtheit der Situation: „Sie wußte nicht, ob sie Nikanjs Approximation
von Joseph erlebte, eine echte Übermittlung von dem, was
Joseph fühlte, irgendeine Kombination von Echtheit und Approximation,
oder nur eine angenehme Fiktion.“9 Die gerade gemachte
Erfahrung ist körperlich real („Dein Körper weiß, wie real es
war.“10) und doch zugleich Illusion, verwischt also die Grenzen
zwischen Wahrnehmung und Erinnerung, Realität und Fiktion.
Eine Grenze, deren Anerkennung für den Säugling jedoch überlebensnotwendig
ist, denn „[d]ie Störung der ‚Halluzination‘ durch
das, was einmal als Hunger identifiziert werden wird, gibt der sich
nachträglich konstituierenden Erfahrung, dass Fantasien nicht satt machen, einen unhintergehbaren biologischen
Grund, hat aber erst als Erfahrung
und somit dem Psychischen angehörend, als
Erfahrung für den Säugling die Konsequenz,
zwischen Wahrnehmung und Erinnerung,
Wahrnehmung und Halluzination unterscheiden
zu können – und zu müssen.“11
Das Benennen eines biologischen Grundes
verweist auf ein grundlegendes menschliches
Naturverhältnis, das sich zunächst als
anthropologische Konstante darstellt (jeder
Säugling ist der „Not des Lebens“ ausgeliefert).
Im Beharren auf der Erfahrung aber
zeigt sich, dass im Entstehen des Wunsches
aus dem reinen biologischen Bedarf ein
Bedürfnis kreiert wird, das über diesen hinausschießt.
Durch die nachträglich erfahrene Abhängigkeit
spaltet sich das Subjekt, es entsteht ein
„Riss im Subjekt, ein Mangel, etwas, das vorwärts
treibt, obwohl es nach dem Jenseits
strebt.“12 Erst der Riss dieser gescheiterten
Wiederholung – der Versuch, die halluzinierte
„Einheit“ wiederherzustellen – konstituiert
das Ich als Abgetrenntes, steht ein
für die anfänglichen Trennungen von Innen und Außen, Ich und
Nicht-Ich, Subjekt und Objekt, die einmal immer schon dagewesen
sein werden. Dabei entsteht aber auch das ,Jenseits‘ dieser Trennungen
als phantasmagorischer Ort der Einheit und Vollständigkeit,
als Ursprung. Der mit den ersten Befriedigungserlebnissen
einhergehende, nachträglich entstehende „unbewusste Wunsch“
konstituiert sich so als nicht zu erfüllendes Selbstverhältnis. Mit
der „Geburt“ des Ichs als wünschendes und begehrendes Wesen
aus einer Mangelsituation heraus entsteht also eine referentielle
Nullstelle, ein scheinbar originärer, ursprünglicher Ort, ein Jenseits
des ,Ich‘, das nun für Einheit, Ganzheit, Versöhnung etc.
steht, immer aber auch die Auflösung des Subjekts selbst impliziert.
Wichtig ist dabei die Betonung der Nachträglichkeit, weil
„Nachträglichkeit nicht etwa bloß Uminterpretation des Sinns oder
der Bedeutung von etwas vorher Dagewesenem darstellt, sondern
[weil] mit ihr die Entfaltung einer Kraft, die Wirkung einer Ursache
einsetzt.“13 Nachträglichkeit weist also darauf hin, dass Erfahrungen
nicht aus dem affektiven Erleben direkt eine Bedeutung
gewinnen, sondern durch zeitliche Verschiebungen und Überlagerungen
scheinbar ursprünglich werden.
Nikanj oder die Oankali als Wesensform scheinen mir dabei
Aspekte dieses ,Nicht-Ortes‘ der Wunschentstehung zu repräsentieren,
oder besser, zu verkörpern: Ihre beständige Formwandlung, die Unbeständigkeit ihrer Art, strahlt etwas Formloses, etwas
„vor-dem-Subjekt“-Seiendes aus. Ihre Kommunikation findet
vorwiegend über Taktilität und (Körper-)Gerüche, also vorsprachliche
Formen der Interaktion, statt, und ihre Welt ist eine Welt
direk ter, unvermittelter Ungetrenntheit – alles ist Körper, alles ist
eigentlich eins. Sie erscheinen damit einerseits als Versprechen auf
eine Einheit, die sich jenseits menschlicher Subjektivität situiert,
als Erfahrung im Körper aber abgelagert ist: „Es ist wie eine
Sprache, für die sie eine besondere Begabung haben. Sie kennen
unsere Körper besser als wir.“14 Andererseits haftet diesem Versprechen ein schaler Beigeschmack an, denn die Unterscheidbarkeit zwischen Realität und Fiktion ist nicht mehr gegeben und die
Grenzen der eigenen Subjektivität werden dadurch durchlässig.
Nicht zuletzt darin begründet sich auch die Bedrohlichkeit, die –
vor allem für Joseph – in dem geschilderten Liebesszenario mitschwingt.
Eine „Bedrohung“15, die als Überrest einer Ur-Erfahrung
der eigenen Lebensnot im Mensch-Sein an sich verankert ist, allerdings,
wie ich im kommenden Abschnitt zeigen will, in die Entstehung
der Geschlechtscharaktere auf unterschiedliche Weise einfließt.
Die Verschränkung von Geschlecht und Ursprung
Der grundlegende narrative Strang, der die drei Teile der Xenogenesis-
Reihe durchzieht, ist der (Überlebens-)Kampf zwischen
Menschen und Oankali. Die Oankali sind von Beginn an eine Bedrohung
für die Menschheit, schließlich wollen sie diese auf eine
Art „abschaffen“, indem sie sich parasitisch in die Menschen einpflanzen – was für die Oankali jedoch ihre Form des (Über-)Lebens
ist. Das Beharren auf ihrem Menschsein und die „Aggressivität“
der Menschen stellen daher ihrerseits eine Gefahr für die Oankali
dar, die die Menschen als „Wirte“ zum Überleben brauchen. Im
Buch wird dieser Kampf biologisch begründet: laut den Gen-Analysen
der Oankali besitzen die Menschen ein „Aggressions-Gen“
oder besser: eine Art genetisch vorbestimmter Hierachie – die sogenannte
„human contradiction“ –, die es ihnen unmöglich macht,
harmonisch miteinander zu leben. Die Oankali sehen sich also
auch als Retter des Menschheit vor sich selbst.
Eine konkrete Verknüpfung dieser „human contradition“ mit der
geschlechtlichen Polarität findet sich im Buch nicht, wenngleich
auffällt, dass die gesellschaftlichen Zusammenhänge der Menschen
durchweg patriarchale Züge tragen. Männer sind häufig
aggressiv, es gibt wiederholt Fälle sexueller Gewalt, die Frauen
ordnen sich tendenziell unter und nehmen vermittelnde Positionen
ein. Das Eingehen von Bindungen mit den Oankali ist eine
verführerische „fremdartige Perversion“ und damit Verrat an der
Menschlichkeit und, für die Männer, ein Verlust ihrer Männlichkeit:
„Unter ihrem (Oankali, KAZ) Einfluß akzeptierte er Vereinigung
und Lust. Als man erlaubte, daß dieser Einfluß nachließ
und Peter zu denken begann, kam er offensichtlich zu dem Schluß,
daß er versklavt worden war. […] Seine Menschlichkeit wurde
entweiht. Seine Männlichkeit wurde weggenommen.“16 Das Bewahren und Erlangen von Autonomie, verstanden als das, was den
Menschen „menschlich“ macht, ist also auch im Universum der
Xenogenesis-Reihe eindeutig mit Männlichkeit assoziiert.
Interessant ist in diesem Kontext die Hauptfigur des ersten Bandes:
„Lilith war ihr Name. Lilith. Ein ungewöhnlicher Name, der
mit üblen Konnotationen beladen war. Sie hätte ihn ändern sollen.“17 Von Beginn an zur „Urmutter“ der neuen, symbiotischen
Lebensform bestimmt, entwickelt sie ein ambivalentes Verhältnis
sowohl zu den Oankali als auch zu den Menschen.18 Die anfängliche
Angst und der Ekel vor den medusenhaft anmutenden Wesen
verwandelt sich bei ihr schnell in eine abgeklärte Akzeptanz: sie
toleriert die Oankali, lässt sich auf sie ein, entwickelt sogar ein
bisschen Neugier. Gleichzeitig entwickelt sie Abhängigkeiten, für
die sie sich schämt und die ihr Angst bereiten. Den genetischen
Manipulationen der Oankali und ihrer invasiven Lebensform steht
sie skeptisch gegenüber und beharrt auf der Notwendigkeit von
Individualität für den Menschen. Im Lauf der Bücher wird Lilith
durch ihr (unfreiwilliges) Mitwirken an der Symbiose der Lebensformen
immer mehr zum Symbol des ,Einknickens‘ vor den Oankali,
zum Inbegriff des Verrats. Darin erinnert sie an die verschiedenen
mythologischen Dimensionen ihres Namens: Lilith, die
Dämonin, die den Kindstod bringt; die emanzipierte, selbstbewusste
Verführerin; die unabhängige und gleichgestellte erste
Frau Adams. Im Lilith-Mythos verknüpfen sich – ebenso wie in der
Xenogenesis-Reihe – Assoziationen der Mütterlichkeit und des Gebärens
mit Verrat, Verlust und Bedrohung. Im Buch erscheint
Lilith aber auch wie ein Bruch mit den oben genannten mythischen
Aspekten, da sie viel zu ambivalent, viel zu „menschlich“
bleibt. Sie geht weder in der Rolle der Verführerin noch der Urmutter
auf, sondern bleibt als Mensch, als Frau hinter diesen Zuschreibungen
und erzwungenen Rollen (sie wird u. a. ohne ihr Einverständnis
durch die Oankali „geschwängert“) spürbar.
Die Figur der Lilith hat in der Romanserie verschiedene Bedeutungsaspekte.
Sie ist einerseits mit den Oankali verbunden, geht
Beziehungen mit ihnen ein, hat (in Maßen) Vertrauen zu ihnen,
doch gleichzeitig beharrt sie auf ihrer Individualität und will autonom
bleiben. Liest man die beiden Lebensformen als Pole der frühkindlichen
Entwicklung der Psychosexualität – die Oankali als das
Versprechen der ursprünglichen Einheit, die Menschen als das
Versprechen auf Autonomie durch Individuation –, so steht Lilith
irgendwo „dazwischen“, ist weder richtig „individuiert“ bzw.
menschlich noch gänzlich „verschmolzen“ bzw. Oankali. Damit
verweist sie auf die Subjektposition der Frau in der klassischen
Konzeption der psychosexuellen Entwicklung: Nach der als
„Ent-Identifizierungsthese“ betitelten, in der psychoanalytischen
Theorie gängigen Annahme ermöglicht erst der Austritt aus der
„ursprünglichen Mutter-Kind-Symbiose“ und die Identifikation mit
dem Autonomie versprechenden Vater das Entstehen einer individuellen
Subjektivität. Klassischerweise ist die Subjektkonstitution
der Frau aber an die Identifi kation mit der Mutter geknüpft und
die Individuation dadurch erschwert – die „Ablösung von der Mutter“
gelingt nicht komplett.
Diese These ist so schon bei Freud zu finden und zu Recht aus
feministischer Sicht kritisiert worden, weil sie impliziert, dass eine
Frau nie gänzlich individuiertes Subjekt sein kann. Vor allem die
Annahme einer ursprünglichen, symbiotischen Einheit wird dabei
angezweifelt. Aus triebtheoretischer Perspektive wird übersehen,
dass Trieb und Objekt von Beginn an in einem konflikthaften Verhältnis
stehen und dass die „primäre Symbiose“ vielmehr eine nachträgliche Phantasie ist. Aus intersubjektiver Perspektive, dass
der Säugling von Beginn an in Beziehung steht und das erste
Objekt (immer noch meist die Mutter) auch als handelndes, spiegelndes
Subjekt wahrgenommen wird, das Autonomiebestrebungen
befördern kann und nicht nur Inbegriff haltenden und
nährenden Einsseins ist. Eine der fatalen Konsequenzen der theoretischen
Annahme einer – aufzulösenden – symbiotischen Mutter-
Kind-Bindung ist „das einseitige Ideal einer autonomen Individualität:
das Männlichkeits-Ideal.“19 Das Verhältnis zur Mutter
taucht in einer solchen Denkbewegung nur als zu überwindendes
auf und den damit verknüpften Wünschen nach Nähe, Bindung
oder Geborgenheit haftet dadurch immer auch die Tendenz zur
(pathologischen) Regression an.20 Doch vielmehr dient in diesem
Modell „[d]ie Identifi kation mit dem Vater […] der Verleugnung
der Abhängigkeit. […] Was dieses Ideal am Leben erhält, ist die
Verwechslung von Abhängigkeit mit völligem Selbstverlust.“21
Um die Entstehung konkreter Geschlechtscharaktere – die hierarchische
Bedeutungsaufladung körperlicher Differenz22 – dreht
sich Butlers Xenogenesis-Reihe nicht direkt. Verwunderlich bleibt
daher die Dreigeschlechtlichkeit der Oankali selbst. Welche Funktion
die Kategorien „männlich“ und „weiblich“ im Universum der
Oankali noch einnehmen, wird nicht wirklich deutlich. Angesichts
der Tatsache, das biologische Reproduktion v. a. durch Genmanipulation
oder Klonen stattfindet, scheint Geschlecht in der Welt
der Oankali eher überflüssig zu sein. Ich sehe diesen Widerspruch daher als einen Ausdruck dafür, dass die Oankali eher in einer
geschlechtlich-ungeschlechtlichen Art zu lesen sind – als Denkfigur also an der Grenze zwischen sexueller Indifferenz (Ooloi) und
durch Biotechnologie (scheinbar?) bedeutungslos gewordener
Geschlechtlichkeit fungieren. Sie verweisen damit auch auf die
ursprüngliche Bedeutungslosigkeit des körperlichen Geschlechts,
darauf, dass der Säugling in den frühen Phasen die Annahme, alle
Geschlechter zu sein, phantasiert, das heißt: auf die Gewordenheit von Geschlecht und die ursprüngliche „Geschlechtslosigkeit“
des Menschen.
Die beiden Pole Verschmelzung vs. Ablösung sind in Butlers
Xenogenesis-Reihe anhand der Menschen bzw. der Oankali ver -
körpert, dabei erscheint jedoch weder die Existenzform der einen
noch der anderen als rettende Erlösung oder zu erstrebendes Ziel.
Im Gegenteil betont Butler die Ambivalenz, die beiden innewohnt,
und veranschaulicht vor allem in den Erfahrungen der „human-oankali-constructs“, den Mischwesen aus Mensch und Oankali, die
Bedeutung der eigenen körperlichen Verwiesenheit und Abhängigkeit
von anderen. Denn „die Vision der vollkommenen Einheit, ob
in Form der Vereinigung oder als Monade, ist ein Ideal – ein symbolischer
Ausdruck unserer Sehnsucht –, welches wir auf die Vergangenheit
projizieren. Dieses Ideal wird noch erhöht in Reaktion
auf das Gefühl von Hilflosigkeit angesichts von Not, Ohnmacht
und Tod.“23
Der mit den ersten Befriedigungserlebnissen einhergehende, nachträglich entstehende „unbewusste Wunsch“ konstituiert sich so als nicht zu erfüllendes Selbstverhältnis.
„Hilflosigkeit“ und „Ohnmacht“ – das erinnert wiederum an das Bild des hilflosen Säuglings und der ursprünglichen Erfahrung der eigenen Lebensnot: Das Ideal und die Sehnsucht nach einer „ursprünglichen Einheit“ und die darin zum Ausdruck kommenden Wünsche nach Nähe und Verbindung bilden sich mit der physischen Geburt und der damit eintretenden Lebensnot des Menschen aus, gründen also auch auf seinem biologischen Grund. Der Frage, ob und inwiefern diese anthropologische Voraussetzung zwangsläufig in der Ausbildung eines geschlechtlich polarisierten und verzerrten Ideals von Verschmelzung versus monadischer Isolation enden müsste, will ich im letzten Kapitel nachgehen.
Die Vergesellschaftung des Mangels
Die Essentialisierung der Charakteristika der Lebensformen(en) als durch „Gene“ vorbestimmte sehe ich als eine der großen Schwachstellen der Xenogenesis-Reihe. Sie impliziert Unausweichlichkeit und bestimmt Natur als quasi deterministisch. Allerdings glättet die sowohl in den Menschen als auch den Oankali angelegte Ambivalenz, das Ringen beider Lebensformen miteinander sowie die Entstehung der „constructs“ diese fatalistische Tendenz der Reihe. Zudem lässt sich das Beharren auf der Verankerung des Menschseins in seinen körperlichen Voraussetzungen, also seiner Natur, auch anders begreifen: Denn auch wenn eine essentialistische und deterministische Begründung von Geschlechtscharakteren grundlegend falsch ist, so entwickelt sich doch jede Sexualität – und damit einhergehend die psychosexuelle Geschlechtsidentität – entlang des Körpers und seiner Lustzentren. Gerade den frühen (Mangel-)Erfahrungen als Säugling, die mit der Wunschent stehung einhergehen, kommt dabei eine große Bedeutung zu, denn „auch wenn bei diesem zeitlichen und utopischen Ursprung der Sexualität die Geschlechterdifferenz noch keine Rolle zu spielen scheint, so können und werden später erlebte Spannungen, Ambivalenzen und feindselige Regungen nachträglich in diese ursprüngliche Situation, gleichsam rückprojizierend eingesetzt.“24 Die Polarisierung des Begehrens entlang der Geschlechterdifferenz(en) verweist also zurück auf eine Ursituation des in der Lebensnot erfahren Mangels, der sich über nachträgliche Bedeutungsaufladungen am weiblichen Körper in Erinnerung an den mütterlichen – als begehrtes und verhasstes Objekt zugleich – festmacht und in die Entstehung der Geschlechtscharaktere25 einfließt:
„Nicht die sinnliche Wahrnehmung der Zweigeschlechtlichkeit, sondern die Verbindung dieser Wahrnehmung mit einem unlösbaren Konflikt löst Angst aus. Erst in dem Moment, in dem das Kind überhaupt reif genug ist, um einen solchen Konflikt innerlich zu erleben, verbindet es diesen nachträglich mit der Wahrnehmung der zwei Geschlechter und interpretiert diese Differenz nun als Verlust bzw. Drohung eines Verlustes.“26
Es sind also nicht die Geschlechtlichkeit und ihre Differenz(en),
die per se oder von Natur aus an eine sich polar entgegengestellte
Hierarchie geknüpft sind, sondern diese Verknüpfung entsteht
innerhalb einer konkreten Gesellschaft mit einer bestimmten Geschichte
und unter gesellschaftlich hergestellten Verhältnissen.
Aber sie entsteht immer auch im Kontext der „Lebensnot“ und den
Konflikten, die diese für die psychische Geburt des Menschen bedeuten.
Eine Ignoranz der Bedeutung anthropologischer Voraussetzungen
für die Entwicklung der Geschlechtscharaktere und des
patriarchalen Geschlechterverhältnisses ist fatal, denn „erst die
unreflektierte und ins Unbewusste abgedrängte Angst verwandelt
sich dort in die Sehnsucht nach der mütterlichen Symbiose, die
zugleich nicht zugelassen werden darf.“27 Wichtig ist dabei aber die
Betonung der Nachträglichkeit, denn körperliche Erlebnisse haben
niemals „direkt“ eine Bedeutung, sondern werden im Rückblick als
Erfahrung im oder am Körper verankert.
Genau darin liegt eine der großen Schwachstellen der Romanreihe
Octavia Butlers: Aufgrund ihres essentialistischen Determinismus und des Fehlens eines ausformulierten Gesellschaftsbegriffs
erscheint körperliche Erfahrung bei ihr als eine scheinbar unvermittelte,
natürliche Realität und eben nicht als gesellschaftlich
vermittelte „zweite Natur“. Dass der Mensch ein gesellschaftliches
Wesen ist – geboren in die soziale Abhängigkeit – bedeutet nämlich auch, „dass uns Gesellschaft vorgängig ist“28 und so etwas wie
ein „natürlicher Urzustand“ nur jenseits des Mensch-Seins denkbar
ist. Die Fragen nach der Produktion und Reproduktion von
Gesellschaft stellen sich bei Butler zudem nur als Fragen von Natur
und Technik, nicht als Fragen nach gesellschaftlicher Organisation
und Struktur. Das Zusammenleben der Menschen ist daher
auch nur als hierarchischer, Lord-of-the-Flies-mäßiger „Rohzustand“
beschreibbar. Die Oankali sind im Gegensatz dazu durch
ihre schwarmartige Gemeinschaftsform fast gänzlich konfliktfrei,
ihre „Organisation“ erfolgt rein körperlich, über vorsprachliche
und innerphysische Kommunikation. Die darin liegende Sprachlosigkeit
spiegelt sich in der oankalischen Form der Politik wieder:
entschieden wird über direkte „Einfühlung“, nicht über Sprache.
Der Austausch und das Abwägen von Argumenten sowie das darin
vermittelte Ringen um ein gemeinsames Ziel wird damit undenkbar.29 Politische Entscheidungen werden nicht mehr ausgehandelt, denn überzeugen kann nur das „wissende Fühlen“ bzw. die
den Genen bereits implizite „Wahrheit der Natur“. Nicht zuletzt
wird Butler neben anderen Science-Fiction-Autor*innen in Donna
Haraways Cyborg-Manifesto30 zur Mythenerzählerin der neuen
posthumanistischen Gesellschaft ernannt. Man kann die Xenogenesis-
Reihe daher durchaus auch als Grundlagen-Literatur eines
neuen poststrukturalistischen Natur- und Gesellschaftsverständnisses
einordnen – auch wenn dies meiner Ansicht nach der Trilogie
nicht gänzlich gerecht wird.
Verschmelzungssehnsüchte verweisen auf die falsche, weil alles mit Weiblichkeit assoziierte abwertende, Vergesellschaftung früher Erfahrungen.
Die Romane verweisen, wie bereits skizziert, auf die Notwendigkeit, die eigene Konstitution als soziales, abhängiges Wesen zu reflektieren. Allerdings gibt es keine genauere Bestimmung dessen, wie unsere Gesellschaft diese Grundvoraussetzung eigentlich formt und inwiefern bzw. warum der gefühlte „ursprüngliche Mangel“ sich fortschreibt und in einer Sehnsucht nach Einheit Ausdruck findet. Dabei wäre diese Frage die eigentlich wichtige, denn:
„[erst n]achträglich wird sich zeigen, welche Bedeutung die Lebensnot für das Subjekt haben wird: Ob sie als Drohung erscheint, als Perpetuierung eines Mangels, der nicht mehr sein müsste und zum Zwang wird, sich den gesellschaftlichen Verhältnissen anzupassen, oder ob sie in einer im emphatischen Sinne vernünftigen Gesellschaft das von Freud beschriebene notwendige Moment der Einführung einer leibhaftigen Realität bleiben würde, aber ihre repressive Funktion verlöre, nicht zur Not des ganzen Lebens würde.“31
Eines der eindrücklichsten Bilder des Buches taucht gegen Ende des letzten Bandes auf, der vorwiegend die Entstehung und das Großwerden der ersten „human-ooloi-constructs“ verhandelt. Eine Eigenschaft dieser „constructs“ ist die Fähigkeit zur Formwandlung. Sie verändern – unbewusst! – ihre körperliche Form, das heißt, sie passen sich den Personen um sie herum in ihrem Aussehen und Erscheinen chamäleonhaft an. Doch diese Eigenschaft geht damit einher, dass sie nur in Bindungen mit anderen überhaupt eine Form behalten können. Finden sie keine menschlichen „mates“ – Partner, mit denen sie eine lebenslange Bindung eingehen –, verlieren sie ihre körperliche Beständigkeit und werden zu „so etwas wie eine Molluske, etwas, das keine Knochen mehr hat[…]“32, regredieren also in Richtung Formlosigkeit:
„Irgend etwas war ernstlich schiefgelaufen mit Aaors Körper, wie Nikanj gesagt hatte. Es entglitt mir immer wieder – vereinfachte seinen Körper. Es hatte keine Kontrolle über sich, aber wie ein Stein, der den Berg hinunterrollt, hatte es Trägheit. Sein Körper ›wollte‹ immer weniger komplex sein. […] Aaors Körper versuchte also in gewisser Weise Selbstmord zu begehen. Ich hatte noch nie gehört, daß ein Träger des Oankali- Organismus so etwas getan hatte. Wir schätzten das Leben. […] Wir nannten unser Bedürfnis nach Gefährten Hunger. Das Wort war nicht leichtfertig gewählt worden. Jemand, der hungern konnte, konnte verhungern.“33
Die genetische Symbiose der beiden Lebensformen transformiert die Eigenschaft der Oankali, starke, körperliche Bindungen einzugehen. Das Bild des zur bloßen Form regredierenden „human- ooloi-constructs“34 verdeutlicht auf berührende Art und Weise, dass Bindungen und Beziehungen für den Menschen überlebensnotwendig sind. Die Sehnsucht danach ist also keine per se regressive und falsche, sondern zutiefst mit der Menschwerdung verknüpft. Das Bild der ohnmächtigen Körperlichkeit erinnert an die Hilflosigkeit des in die Welt geworfenen Säuglings. Verschmelzungssehnsüchte, wie sie den Menschen in Butlers Romanen wie auch der Realität zueigen sind, weisen zurück auf diese ursprüngliche Lebensnot und auf die Zerissenheit des Mensch-Seins. Sie tun dies aber in einer Überformung, die ausblendet, dass dieser Ort der Einheit und Verschmelzung unausweichlich ein phantasmagorischer ist, der sich nachträglich als immer-schon-vorhandener Ort jenseits des Subjekts konstituiert. Dass Verschmelzungssehnsüchte so stark in der – vor allem weiblichen – Subjektivität verankert sind, begründet sich auch darin, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der diese ursprünglichen Konflikte auf eine bestimmte Art fortwähren. Denn die scheinbare bürgerliche Freiheit – die sich doch in einer grundlegenden Unfreiheit begründet – und das Beharren auf Autonomie und Unabhängigkeit, das die neoliberal-bürgerliche Gesellschaft voraussetzt, verstärkt die Verdrängung und Abwertung der eigenen Verwiesenheit und Abhängigkeit und bedingt eine (männliche) Form der Subjektivität, in der diese Aspekte abgespalten werden (müssen): „Die falsche Form von Individualität und die falsche Form von Kollektivität passen zusammen.“35 Das Ideal und die gleichzeitige Panik vor der „mütterlichen Symbiose“ bleiben so wirkmächtig bestehen, weil sie angetrieben werden von aktuellen Erfahrungen von Ohnmacht und Not. Verschmelzungssehnsüchte verweisen auf die falsche, weil alles mit Weiblichkeit assoziierte abwertende, Vergesellschaftung früher Erfahrungen. Butlers Roman-Reihe geht diesen Sehnsüchten nach und vermag darin auf die blinden Flecke des bürgerlichen Subjekts hinzuweisen. Sie übersieht aber die gesellschaftliche Bestimmung jeglicher Subjektivität und damit auch, dass Formlosigkeit und die Auflösung der Subjektivität in der symbiotischen Verschmelzung nur deshalb so erstrebenswert und mit Sehnsucht besetzt sind, weil die „Alternative“ dazu die verdinglichte, verhärtete Subjektivität der kapitalistischen Gesellschaft ist. Die in der Romanreihe aufgerufenen Bilder vom Kampf zwischen Autonomie und Verschmelzung vermögen dennoch eindringlich die Ambivalenzen dieses Verhältnisses zu fassen. Mit der Hauptfigur Lilith weisen sie zudem auf die polarisierende Verknüpfung dieser Konflikte mit dem patriarchalen Geschlechterverhältnis hin. Weder die absolute Individuation noch die reine Verschmelzung werden in der Xenogenesis-Trilogie als tatsächlich erlösendes Versprechen präsentiert und werfen somit die Frage danach auf, wie eine Gesellschaft aussehen müsste, in der das Ausbilden einer individuellen und autonomen Subjektivität nicht auf der Verdrängung und Verleugnung der eigenen Abhängigkeit fußen würde.
LITERATUR
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Katharina Zimmerhackl, Künstlerin und Grafikerin, ist seit langem Redaktionsmitglied der outside the box und beschäftigt sich in ihrer künstlerischen und theoretischen Praxis mit dem Verhältnis von Wissenschaft, Körper, Natur und Gesellschaft. Von Verschmelzungssehnsüchten wird auch sie hin und wieder geplagt.
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Butler, Octavia: Dämmerung. München 1991. S. 253. (Original-Zitat: „I offer a oneness that your people strive for, dream of, but can’t truly attain alone.“) ↩
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Die Xenogenesis-Serie besteht aus den drei Romanen Dämmerung (Dawn), Rituale (Adulthood Rites) und Imago (Imago). Sie wurde im deutschsprachigen Raum auch als Sammelband unter dem Titel Die Genhändler (Xenogenesis/Lilith’s Brood) veröffentlicht. ↩
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Wie diese Sehnsüchte konkrete Beziehungen formen, kann man u. a. im Artikel von Elisa Paulus in dieser Ausgabe nachlesen. ↩
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Psychoanalytische Theorien zur weiblichen Subjektwerdung kreisen bezeichnenderweise auch viel um die frühe Mutter-Kind-Bindung und nicht nur um die Triangulation im ödipalen Konflikt. Vgl. dazu Benjamin, aber auch Chasseguet-Smirgel. ↩
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Kirchhoff, Christine: Das psychoanalytische Prinzip der „Nachträglichkeit“. Zeit, Bedeutung und die Anfänge des Psychischen. Psychosozial Verlag 2009. S. 29. ↩
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Ebd., S. 30, Hervorhebung KAZ. ↩
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Ebd., S. 55, Hervorhebung KAZ. ↩
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Kirchhoff, S. 29. ↩
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Dämmerung, S. 216. ↩
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Ebd., S. 253. ↩
-
Kirchhoff, S. 55. ↩
-
Ebd., S. 30, Hervorhebung KAZ. ↩
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Löchel, Elfriede: Lässt sich Differenz denken? Beitrag zur Frage der Repräsentanz sexueller Differenz, In: IZZP (Internationale Zeitschrift für Philosophie und Psychosomatik) 1/2013, online abrufbar unter http://www.izpp.de/fi leadmin/user_upload/Ausgabe_8_1-2013/IZPP_1-2013_Loechel.pdf (04.01.2019), S. 10. ↩
-
Dämmerung, S. 225. ↩
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Zur Bedeutung dieser „Bedrohlichkeit“ als Aspekt der psychosexuellen Entwicklung von Männlichkeit bzw. für eine patriarchale Misogynie sei die Lektüre von Rolf Pohls Feindbild Frau empfohlen. ↩
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Dämmerung, S. 258. ↩
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Rituale, S. 49. ↩
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Die Tatsache, dass Lilith zudem eine Hispanic ist, wird in meinem Artikel nicht näher behandelt. Die Xenogenesis-Reihe wird auch immer wieder als Reihe über Rassismus und Menschlichkeit thematisiert. Butler selbst hingegen spricht sich gegen eine einseitige Interpretation der Thematik aus, vor allem, da sie weitaus expliziter Rassismus thematisierende Romane wie Kindred veröffentlicht hat. ↩
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Benjamin, Jessica: Die Fesseln der Liebe. Psychoanalyse, Feminismus und das Problem der Macht. Frankfurt/Main 1993. S. 166. ↩
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Das geht sogar soweit, dass die Entstehung faschistischer Sozialcharaktere mit der (zu engen, nicht überwundenen) Mutterbindung erklärt wird. So richtig in psychoanalytischen Sozialtheorien des Faschismus der Verweis auf frühen Narzissmus sein mag, so antifeministisch und im Grunde wenig gesellschaftskritisch sind solche fatalen Kurzschlüsse. ↩
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Benjamin, S. 166f. ↩
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Die Entstehung der Geschlechtscharaktere kann ich hier nicht im Detail verhandeln, auch, weil die damit verknüpften Thesen – ödipaler Konflikt, Kastrationsangst, Penisneid, um nur ein paar zu nennen – durchaus problematische Aspekte aufweisen und es den Rahmen sprengen würde, dem Für und Wider dieser Ansätze hier Raum zu geben. Zur Einführung eignen sich aus triebtheoretischer Perspektive v. a. der Band Psychoanalyse der weiblichen Sexualität von Janine Chasseguet-Smirgel (Hrsg.) oder der psychoanalytische Abschnitt in Feindbild Frau von Rolf Pohl, in dem er die Problematiken Freuds ganz gut veranschaulicht. Ebenfalls wichtig finde ich Jessica Benjamins Fesseln der Liebe – Psychoanalyse, Feminismus und das Problem der Macht, allerdings ist dies vorwiegend aus einer intersubjektiven Perspektive formuliert und vermag daher die Vermittlung von Natur und gesellschaftlichen Strukturen nur bedingt zu erfassen. Es ist aber eine kluge Kritik der androzentrischen (und teils auch misogynen) Züge orthodoxerer psychoanalytischer Ansätze. ↩
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Benjamin, S. 168. Hervorhebung im Original. ↩
-
Pohl, Rolf: Feindbild Frau. Männliche Sexualität, Gewalt und die Abwehr des Weiblichen. Hannover 2004. S. 133. ↩
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Zudem ist die Entstehung dieser Geschlechtscharaktere nichts Bewusstes und Gewähltes: Das Beharren auf der Gesellschaftlichkeit des Menschen bedeutet auch, dass man sich in dem Dilemma befindet, Geschlechtscharaktere verinnerlicht zu haben, die man hat anerkennen müssen, um Subjekt zu werden, im Hier und Jetzt aber zu Recht auch als normierend und zurichtend kritisiert. ↩
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Löchel, S. 10. ↩
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Eichler, Lutz: System und Selbst. Arbeit und Subjektivität im Zeitalter ihrer strategischen Anerkennung. transcript/Bielefeld 2013. S. 474. ↩
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Ebd. ↩
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Dieses Politik-Verständnis erinnert auffällig an die politischen Formen, die man heutzutage in queer-feministischen Kreisen häufig antrifft. Die Forderung nach Anerkennung der eigenen Lebensrealitäten und das Beharren auf der eigenen, zurichtenden Erfahrung als Grundlage politischer Forderungen sind notwendig und durchaus verständlich. Trotz allem weist die Ähnlichkeit mit dem Butler’schen Szenario auf Problematiken identitätspolitischer Praxen hin. ↩
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Haraway, Donna: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Frankfurt/Main 1995. ↩
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Kirchhoff, S. 55. Hervorhebung KAZ. ↩
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Imago, S. 203. ↩
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Ebd., S. 213. ↩
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Mit ihrer beständigen Formbarkeit einerseits und der Ausbildung sehr enger symbiotischer Bindungen andererseits verweisen die „constructs“ auf einen grundlegenden Widerspruch der mit der Wunschentstehung sich bildenden sexuellen „Energie“, der Libido. Libido bezeichnet dabei die „dynamische Äußerung des Sexualtriebs“, nicht zu verwechseln mit körperlich-sexueller Erregung. Auch in ihrer Wesenhaftigkeit und in der „Körperlichkeit“ – vor allem im Schrumpfen zur bloßen Masse – erinnern die „constructs“ an die bildlichen Beschreibungsversuche der Libido. Freud zieht zur Erläuterung deren nämlich das Aus- und Einstülpen der Pseudopodien einzelliger Protoplasmatierchen heran: „Denken Sie an jene einfachsten Lebewesen, die aus einem wenig differenzierten Klümpchen protoplasmatischer Substanz bestehen. Sie strecken Fortsätze aus, Pseudopodien genannt, in welche sie ihre Leibessubstanz hinüberfließen lassen. Sie können diese Fortsätze aber auch wieder einziehen und sich zum Klumpen ballen. Das Ausstrecken der Fortsätze vergleichen wir nun der Aussendung von Libido auf die Objekte, während die Hauptmenge der Libido im Ich verbleiben kann, und wir nehmen an, daß unter normalen Verhältnissen Ichlibido ungehindert in Objektlibido umgesetzt und diese wieder ins Ich aufgenommen werden kann.“ (Freud: Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, Kapitel 26). Libido erscheint hier als eine frei flottierende Energie, die „ungehindert“ von Ich zumm Objekt und von einem Objekt zum nächsten fließen kann. Diese unendliche Varianz der Objektwahl ist die eine Seite des Dilemmas der Libido, der sich, und das ist die andere Seite, zugleich die prinzipielle Notwendigkeit eines Objekts, ohne das es eben gar kein „Fließen“ geben könnte, entgegenstellt. Ohne Bindung an ein Objekt gibt es die Freiheit der Objektwahl nicht. Endlose „Freiheit“ und Gebundenheit tauchen in der Freudschen Theorie also gleichzeitig und aufeinander verwiesen auf. ↩
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Eichler, S. 106f. ↩